Chronik des Soldaten- und Kriegerverein Glonn

von Hans Obermair

Die Gründung erfolgte 1874 für die Gemeinden Glonn und Oberpframmern. Die Initiatoren waren Anton Schmied, Sebastian Türk (später Glonner Bürgermeister), Balthasar Fischer und Franz Dichtl.

Sie alle waren Veteranen des Krieges 1866 und, oder des von 1870/71. Sie wussten aus eigener Erfahrung was Krieg bedeutet. Fünf Glonner, eine Gedenktafel an der südlichen Kirchenwand erinnert an sie, sind 1870/71 im Feld geblieben. Am 7.6.1874 fand die Gründungsversammlung mit 30 Teilnehmern statt. Wenn die Vereinssatzung von 1874 noch von Patriotismus und Treue zum König (nicht Kaiser) spricht, so ist dies aus dem Zeitverständnis heraus zu verstehen. Erste Anschaffung war eine Vereinsfahne, die aus Spenden finanziert und von Pfarrer Späth bereits am 23.8.1874 geweiht werden konnte. 1878 zählt der Verein bereits 80 Mitglieder.

Die Gründungsdokumente sind teilweise erstklassig erhalten “Foto” Gründungsbuch handschriftlich

Übersetzung der Gründungsurkunde von 1874

Die Veteranen und Krieger der Gemeinde Glonn und Oberpframmern fühlten unter sich schon längst das Bedürfnis gleich anderen Gemeinden einen Verein zu gründen. Deshalb luden die Veteranen: Anton Schmid, Sebastian Türk, Balthasar Fischer und Franz Dichtl, ihre Kameraden zu einer Zusammenkunft auf den 31. Mai 1974 im Gasthaus zur Post ein. Diese Versammlung wurde von ungefähr 30 Veteranen besucht, die Statuten vorgelesen, eine Hauptversammlung auf den 7. Juni ebenfalls zur Post anberäumt. Der Verein wurde somit gegründet und zugleich ein Ausschuss gewählt, welcher bestand aus den Herrn Anton Schmid, Hafnermeister als 1. Vorstand, Sebastian Türk, Käser als 2. Vorstand, Franz Dichtl, Metzgermeister als Kassier, Balthasar Fischer, Bäckerssohn als Sekretär. Zu gleicher Zeit wurden 4 weitere Ausschußmitglieder gewählt, nämlich: Martin Müller, Postbote von Glonn, Josef Schwaiger, Bauer in Frauenreuth, Balthasar Zistl, Bauer in Rohrsdorf und Andreas Huber, Bauerssohn aus Niederpframmern. Der Plan zur Fahne, eine Zeichnung des Sekretärs Fischer, wurde vorgelegt und gutgeheißen. Zwei Tage nachher fuhren die Veteranen, Schmid, Dichtl und Gruber nach München und bestellten in der rühmlichst bekannten Paramenten-Fabrik der Madame Mathilde Jörres nach oben genannter Zeichnung die Fahne. Um Beiträge zu

sammeln zur Bestreitung der Kosten gingen die Kameraden Türk, Springer, Brunnhuber, Lechner und Wäsler. Zugleich wurde dem Verein ein kostbares Band von den Jungfrauen der Gemeinde Glonn gewidmet. Um die Kosten hierfür aufzubringen, gingen wieder zum Sammeln, Rosalie Bachwieser, Lederin, Franziska Pentenrieder, Schneiderstochter und Anna Nadler, Näherin, sämtliche von Glonn. So wurde die Fahne durch Beiträge der Veteranen, Gemeinde-Bürgern und Jungfrauen um den Wert von 545 fl mit Worten: fünfhundert und vierzig und fünf Gulden gekauft und die Fahnenweihe am 23. August 1874 unter Beteiligung von 11 auswärtigen Vereinen abgehalten. Die Weihe vollzog der Hochwürdige Herr Josef Späth, Pfarrer in Glonn. Patenstelle dabei übernahmen der Veteranen-Verein Grafing. Sollte der Verein sich einmal auflösen, so geht die Fahne, so wie alles sonstige Eigentum des Vereins an die Gemeinde über. Möge die Fahne sich nur entfalten zur Ehre und zum Ruhme des Allerhöchsten, zum Schutze des königlichen Hauses und des geliebten bayerischen und deutschen Vaterlandes und zum Vorbild für unsere Nachkommen. Und darum treu unserem Wahlspruch den auch unsere Fahne trägt.

Mit Gott für König und Vaterland

Fahne des Soldaten- und Kriegervereins Glonn von 1874

Wie auch noch heute repräsentierte sie den Verein bei örtlichen Festen und Feiern, insbesondere aber wenn es einem verstorbenen Mitglied die letzte Ehre zu erweisen gilt. Aber auch das Abfeuern von Böllerschüssen bei Beerdigungen war noch bis vor einigen Jahren der Brauch. Ab 1877 ist der Martinitag (11.11.) Tag des Gedächtnisses für die verstorbenen Mitglieder. Später wird er vom Volkstrauertag abgelöst. Damals wie heute ist dieser Gedenktag ein Höhepunkt im Vereinsjahr.

Die Feier des 25- jährigen Gründungstages 1899 war für Glonn sicher ein großes Fest. Für 1909 konnten rund 300 Mitglieder festgestellt werden. Davon rund 25 Veteranen der Kriege von 1866 und 1870/71. Ein Zeichen dafür, dass ein Veteranenverein auch in Friedenszeiten Bestand hat. Der Mitgliederzuwachs hat sich aus den „Aktiven“ rekrutiert, also jenen die ihre 3-jährige Wehrpflicht abgeleistet hatten. Der Verein war damals der Mitgliederstärkste in Glonn.

Kriegstagebuch von Unteroffizier Kiermair aus dem Jahre 1916

Die meisten der „Aktiven“, aber auch viele „Nichtgediente“ wurden zu den Waffen gerufen. Es waren sicher nicht viele, die sozusagen mit „fliegenden Fahnen“ in den Krieg zogen, wenn uns auch die damalige Kriegspropaganda etwas anderes vormachte. Laut eines Beschlusses von 1915 gewährte der Verein für Verwundete oder Kriegsgeschädigte einen Zuschuss von 20 Mark. Ein gleicher Betrag kam von der Gemeinde. Der Krieg hatte für Land und Gemeinde verheerende Folgen. Entsprechend der Niedermairchronik gab es aus der Gemeinde Glonn 80 Gefallene, alles Männer im besten Alter, und das bei rund 1600 Einwohnern. Was die Hinterbliebenen, insbesondere die Frauen, zu leiden und zu leisten hatten, ist heute kaum mehr vorstellbar. 1920 hat sich in Oberpframmern ein eigener Veteranenverein gegründet.

Im Felde 05.04.1918

Sehr geehrter Herr Kiermair!

Hiermit erfülle ich die schmerzliche Pflicht, Sie vom Heldentote Ihres Sohnes zu verständigen. Er fiel an der Spitze seines Zuges in den Morgenstunden des 4.4.1918 im Dorfe Moreuil.
In der kurzen Zeit, da er der Komp. angehörte hat er sich das Vertrauen seiner Vorgesetzten und die Anhänglichkeit seiner Kameraden erworben. Der verwundete Komp. Führer hat mich beauftragt, Ihnen sein herzlichstes Beileid auszusprechen.
Ich verlor in dem teuren Gefallenen einen lieben Kameraden, die Kompanie einen schneidigen braven U,offz., dem wir alle ein ehrendes Andenken bewahren werden.
Gott tröste Sie in Ihrem Schmerz und gebe Ihnen Kraft den harten Schlag zu ertragen, den Sie durch den Verlust Ihres Sohnes erlitten haben.

Ergebenst!

Sernatinger Feldw.

Altes Kriegerdenkmal vom 10.06.1923 (außen)

Altes Kriegerdenkmal vom 10.06.1923 (innen)

Die 1919 ausgerufene „Räterepublik Bayern“ war sicher nicht im Sinne der Glonner Veteranen. Die Männer der auch in Glonn aufgestellten „Weißen Garde“ rekrutierten sich in erster Linie aus der Kriegerkameradschaft. Die nächste Anforderung an den Verein war die Schaffung eines Kriegerdenkmales. Unterstützt wurde das Vorhaben vom „Kriegerdenkmalverein“, der zu dem Zweck gegründet wurde, um das Vorhaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Kurz vor dem Inflationshöhepunkt, konnte das Denkmal am 10.6.1923 eingeweiht werden. Die damaligen Preise muten heute illusorisch an: Ein Festzeichen kostete 10.000 Mark, die Musik 460.000 Mark. Die Gesamtkosten für das Denkmal beliefen sich auf über 5 Milliarden. Den Fehlbetrag den das Fest verursachte, nämlich eine Milliarde und 175.000 Mark, deckte der Vereinskassier Ludwig Winhart von Ursprung aus eigener Tasche. Wäre das Denkmal nicht vor 1923 geplant worden, hätte es wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg hierzu keine finanzielle Möglichkeit gegeben, jedenfalls nicht für ein so großes. Der 50. Gründungstag im Jahre 1924 wurde trotz der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Beisein der umliegenden Vereine begangen.

Das Vereinsleben normalisiert sich wieder. Die Vereinsjahrtage und die Beteiligung bei der Beerdigung verstorbener Mitglieder werden wie ehedem gepflegt. Treffen mit anderen Vereinen, gesellige Zusammenkünfte und Vereinsausflüge sind wieder an der Tagesordnung. 1954 wird das 80-jährige Gründungsfest feierlich begangen. Professor Dr. Max Lebsche hält die Gedenkrede. In diesem Jahr werden 11 verdienstvolle Mitglieder zu Ehrenmitgliedern ernannt. Ihre Verdienste bestehen wohl auch darin, weil sie während der Nazi-und Kriegszeit dem alten Verein die Treue hielten, ja vielleicht das Überleben des Vereins sicherten.

Die Festrede hatte Herr Professor Dr. Lebsche auf seine kosten fertigen lassen, wofür ihm der herzlichste Dank gebührt. In 2000 Exemplaren wurde die Gedenkrede kostenlos an jedes anwesende Mitglied der beteiligten Vereine und außerdem an die Bevölkerung verteilt.

Liebe Kameraden!
Liebe Landsleute!

Die Völker der Erde haben in ihren großen Städten dem unbekannten Soldaten Denkmäler und leere Grabstätten errichtet. Es soll dadurch das Andenken an die Millionen Gefallener der beiden Weltkriege wachgehalten, die Dankespflicht der Überlebenden gemahnt und das nationale Gewissen aufgerüttelt werden!

Liebe Kameraden!
Wir alten Soldaten sind heute auf dem Freithof der Heimat versammelt, um das Andenken an die bekannten Soldaten, an unsere eigenen gefallenen Kameraden zu ehren, deren Namen uns wohlbekannt, deren Gestalten uns wohlvertraut und deren Lob wohl verdient ist.
Die auf dem Felde der Ehre gebliebenen Krieger des Feldzuges 1870/71 können wir in tiefer Stunde namentlich aufrufen:
den Jakob Eichner, Wimmersohn von Doblberg,
den Josef Singer, Schmiedsohn von Westerndorf,
die Seilerbuben Ludwig und Alois Eichmeier von Glonn
und den Tambour des kgl. bayer. 11. Infant.-Reg.
Otto Zuruck aus der Filzen.

Welch gewaltiger Appell entstünde aber, wenn alle Gefallenen des 1. und 2. Weltkrieges mit Namen angesprochen werden sollten?!
Denn diese unserer Heimat hat in den ersten Weltkrieg 335 Krieger schicken und 71 verlieren müssen; sie hat von 1939 – 1945 528 Kriegsteilnehmer verzeichnet, 101 Gefallene und 26 Vermisste!
Bei der Verbundenheit der Lebenden und Toten steht also in dieser Stunde neben uns ein halbes Bataillon unsichtbarer Kameraden, die wie wir den Stellungsbefehl erhalten, ihre Pflichttreue aber mit dem Heldentod besiegelt und ihre Heimatliebe unter letzten Beweis gestellt haben. Vor ihnen neigen wir ehrfurchtsvoll unsere Fahnen, ihnen danken wir für Opferbereitschaft und Beispiel, ihnen versprechen wir, dass wir sie nicht vergessen werden und dass wir sie nicht schmähen lassen!!
In allen Jahrtausenden war es das Schicksal der Soldaten zu schweigen, zu gehorchen und zu opfern. Der Hauptmann von Kapharnaum hat gesagt: „Ich bin ein Mensch der Obrigkeit unterworfen und habe Kriegsleute unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh! so geht er; und zu dem anderen: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knechte; Tue das! so tut er`s.“
Das war auch das Los so vieler gefallener Kameraden, mögen Entstehungsursache , Führung und Ergebnisse der Weltkriege noch so umstritten und unheilvoll gewesen sein. Für den einfachen Mann sind Gehorsam und Ungehorsam im Kriege gleich lebensgefährlich! Für ihn gilt das Wort des heiligen Petrus: „Ihr Knechte, seid untertan mit aller Ehrfurcht den Herren, nicht allein den gütigen und milden, sondern auch den unleidlichen!“ So blieb nach Entfesselung der Kriegsfurie keine andere Wahl als beim Namensaufruf mit „Hier“ zu antworten.
Umso höher sind Manneszucht und Selbstverzicht unserer toten Kameraden einzuschätzen! Wer hätte schon in unserer Talschaft, in der seit Schwedenzeit Ruhe und Frieden geherrscht hatten, Militarismus und Krieg gewünscht? Zu allerletzt und am allerwenigsten jedenfalls jene, die schon einmal im Kriege gewesen sind!
Freilich gibt es geschichtliche Augenblicke, in denen die letzte Freiheit gegenüber den Todfeinden jeder Kultur mit der Waffe und mit dem Einsatz des Lebens verteidigt werden muss! Darum soll unser heutiges Gedenken auch den lebenden und toten Freikorpskämpfern gelten, die sich vor 35 Jahren freiwillig eingesetzt und geopfert haben:
Leutnant Wiedemann von Niederseeon
und Max Sarreiter von Mattenhofen
erlitten damals den Heldentod! In jener furchtbaren Zeit hat es sich gezeigt, daß ein Volk und ein Staat zu seinem Bestand außer dem Nährstand und Lehrstand notwendigerweise auch den Wehrstand braucht. Wer soll denn Frauen und Mädchen, Kinder und Greise, Habe und Heimat eine entfesselte Soldateska, die nach einem Dammbruch mordend und brandschatzend in die Landschaft einfällt, wer soll sie denn schützen und verteidigen, wenn nicht die Männer und Brüder, die Väter und Söhne?
Es sind die „heiligen Gesetze des Vaterlandes“, für die bei den Thermopylen Leonidas mit 300 Spartanern im Kampf gegen die Perser 480 v. Chr. gefallen ist, es sind die gleichen heiligen Gesetze, für die 955 n. Chr., vor bald 1000 Jahren, unsere Altvordern die Ungarnschlacht auf dem Lechfeld geschlagen haben und für die bayerische Heere von Wasserburg den Inn und die Donau hinabfuhren, um Wien und Belgrad den Händen des Erzfeindes der Christenheit, den Türken, zu entreißen.
Der Wehrstand soll kein Beruf, soll kein ehrlicher, wirklicher Stand sein?! Und er ist doch ein Stand und seine besten Vertreter begegnen uns im Evangelium! Da ist der Hauptmann von Kapharneum, der gesagt hat: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“. Verwundert erwiderte der Herr: „Wahrlich, sage Ich euch, solch großen Glauben habe Ich in Israel nicht gefunden!“ Da ist der römische Hauptmann unter dem Kreuz, der Gott verherrlichte und sprach: „Dieser Mann war wahrhaftig unschuldig und Gottes Sohn.“ Longinus nahm vom Blute des Herrn und brachte die heilige Reliquie in seine Vaterstadt Mantua, wo er den Märtyrertod starb.
Weingarten im württembergischen Oberland hütet seit bald 900 Jahren sein Geheimnis und feiert es alljährlich beim feierlichen Blutumritt im Monat Mai.
Der Soldatenberuf hat Heilige hervorgebracht wie St. Sebastian, St. Florian und St. Martin! Millionen von Soldaten aller christlichen Völker und aller Waffengattungen bekennen sich zu ihrer Auffassung vom Wehrstand, der hohe sittliche Tugenden, Pflichttreue, Gerechtigkeit, Gehorsam und Opferbereitschaft bis zum Tode verlangt und leistet. Freilich gab es jederzeit und wie in jedem anderen Stand auch Unheilige, Freibeuter, Schergen und Schelme, mit denen kein anständiger Soldat etwas gemein haben will. In unserem Heimattal jedenfalls wurden die guten alten Soldatentugenden immer hochgehalten und auch gepflegt. Der brave Sebastian Türk z. B. hat sie uns 35 Jahre lang vorgelebt und uns Nachfahren dazu angehalten.

Liebe Kameraden!
Liebe Landsleute!

Bei der heutigen Vergatterung danken wir aus tiefstem Herzen unseren gefallenen Helden, den Söhnen unserer Heimat, für das Vorbild vollkommener Pflichterfüllung und unerschütterlicher Treue bis zum Tode. Möge der Herr des ewigen Lebens das Opfer ihres eigenen Lebens für sie selbst, für ihre Familien wie für Volk und Vaterland gnädig angenommen haben und weiter wirken lassen. Uns überlebenden Kameraden aber bleibt die heilige Pflicht, in die Stellung und in den Auftrag der Gefallenen einzurücken und das Erbe unverfälschten christlich-bayerischen Soldatentums zu übernehmen und zu verteidigen, entsprechend dem alten bayerischen Wahl- und Wappenspruch:

In Treue fest!

So wahr uns Gott helfe!